(openPR) Urteil des LG Frankenthal zur Testierfähigkeit bei Demenz – Az. 8 O 97/24
Die Lebenserwartung der Menschen steigt. Diese Entwicklung hat auch ihre Schattenseiten, denn auch immer mehr Menschen erkranken an Demenz. Eine Demenzerkrankung ist allerdings nicht gleichbedeutend mit einer Testierunfähigkeit. Das machte das Landgericht Frankenthal mit noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 18. Juli 2024 deutlich (Az.: 8 O 97/24).
Auch das LG Frankenthal machte in seinem Urteil vom 18. Juli 2024 deutlich, dass Demenz nicht automatisch zur Testierunfähigkeit führe. Entscheidend sei vielmehr, ob sich die testierende Person trotz ihrer Erkrankung noch ein klares Urteil über die Auswirkungen ihrer testamentarischen Anordnungen machen könne und in der Lage sei, Entscheidungen ohne Beeinflussungen durch Dritte zu treffen.
Die Erblasserin in dem zu Grunde liegenden Fall hatte keine Kinder oder pflichtteilsberechtigte Angehörige. In ihrem handschriftlichen Testament von 2018 hatte sie den Sohn einer Cousine und dessen Ehefrau als Erben eingesetzt. Dabei hatte sie Testamentsvollstreckung angeordnet und ihre Steuerberaterin zur Testamentsvollstreckerin bestimmt. Der Erblasserin gehörte auch ein wertvolles Anwesen. Die Wohnung im Obergeschoss des Hauses wurde vom Sohn einer Freundin der Erblasserin bewohnt.
Anfang 2021 befand sich die Erblasserin aufgrund eines Knochenbruchs für einige Tage in stationärer Behandlung. Dabei stellte das Krankenhaus in einer Nebendiagnose auch den Beginn einer demenziellen Erkrankung fest.
Kurz nach ihrem Krankenhausaufenthalt errichtete die 90-jährige Erblasserin ein neues notarielles Testament. In diesem Testament vermachte sie dem Sohn ihrer Freundin, der seit rund 30 Jahren das Obergeschoss ihres Hauses bewohnte, das ganze Anwesen. In einer Anmerkung ist außerdem festgehalten, dass der Notar die Erblasserin für unbeschränkt geschäfts- und testierfähig hält.
Einige Monate später verstarb die Erblasserin. Auf Betreiben der Erben wurde die als Testamentsvollstreckerin bestimmte Steuerberaterin aus wichtigen Grund entlassen und ein Rechtsanwalt zu ihrem Nachfolger als Testamentsvollstrecker ernannt. Dieser teilte nicht die Einschätzung des Notars, dass die Erblasserin noch testierfähig war. Um seine These zu untermauern, legte er die Arztbriefe vor, in denen der Beginn einer demenziellen Entwicklung bescheinigt ist. Im Wege des Eilverfahrens versuchte er zu erreichen, dass das Gericht die Testierunfähigkeit der Erblasserin feststellt und das notarielle Testament für ungültig erklärt. So sollte wohl verhindert werden, dass das wertvolle Anwesen der Frau an ihren Mieter fällt.
Beim LG Frankenthal kam der Testamentsvollstrecker mit seiner Argumentation allerdings nicht durch. Da das Erbrecht zunächst grundsätzlich die Testierfähigkeit unterstellt, müsse das Gegenteil bewiesen werden. Das sei dem Testamentsvollstrecker nicht gelungen, stellte das Gericht fest. Daran änderten auch die vorgelegten Arztbriefe nichts. Darin sei zwar vom Beginn einer Demenz die Rede, es fehle aber an jeder Einstufung zum Grad der Demenz. Ohne diese könne keine verlässliche Aussage zur Testierfähigkeit getroffen werden. Denn während bei einer mittelschweren oder schweren Demenz nicht mehr von einem wirksamem Testament ausgegangen werden könne, sei bei einer leichten Demenz noch von Testierfähigkeit auszugehen, machte das LG Frankenthal deutlich.
Da das Gericht nicht davon ausgeht, dass es dem Testamentsvollstrecker in einem Hauptsacheverfahren gelingen würde, die Testierunfähigkeit der Erblasserin zu beweisen, lehnte es den Eilantrag ab.
Die Frage der Testierfähigkeit ist unter Erben ein häufiger Streitpunkt. Um Erbstreitigkeiten zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass die letztwilligen Verfügungen im Sinne des Erblassers umgesetzt werden, sollte ein Testament möglichst vorausschauend errichtet werden. Dabei kann es ratsam sein, sich die Testierfähigkeit von einem Facharzt bescheinigen zu lassen. Dessen Einschätzung ist wesentlich aussagekräftiger als die eines Notars, der kein medizinischer Gutachter ist.