(openPR) Leiden Kinder unter starker Neurodermitis, geht dies mit Beeinträchtigungen für die gesamte Familie einher. Auch kann sich die Erkrankung als zusätzliche Belastung in der Familienkasse bemerkbar machen.
Um diese Nachteile auszugleichen, existieren verschiedene staatlich finanzierte Sozialleistungen, welche betroffene Familien in Anspruch nehmen können.
Dazu zählen zunächst einmal die klassischen Sozialleistungen, welche den Eltern auch bei anderen Erkrankungen ihres Kindes zustehen. Hierunter fallen z. B. das Kinderkrankengeld sowie unter bestimmten Voraussetzungen der Anspruch auf Kinderrehabilitation.
Weitgehend unbekannt ist, dass auf Grund von Neurodermitis auch ein Grad der Behinderung und eine Pflegebedürftigkeit beantragt werden können. Diese gewähren den Familien verschiedene Nachteilsausgleiche wie z. B. steuerliche Entlastungen oder eine besondere Berücksichtigung der Erkrankung im schulischen Alltag (z. B. über zusätzliche Zeit bei Klassenarbeiten).
Wie wird der Grad der Behinderung und die Pflegebedürftigkeit bei Neurodermitis berechnet?
Die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung eines Behinderungsgrades ist die Einschränkung der körperlichen, geistigen oder seelischen Funktionen. Eltern schrecken wohlmöglich zunächst vor der Vorstellung zurück, dass ein Hautleiden mit einer Behinderung gleichzusetzen sei. Doch der Gesetzgeber hat hierfür im Schwerbehindertengesetz eine Definition getroffen. Diese macht deutlich, dass auch das Krankheitsbild einer Neurodermitis mit mittelschwerem oder gar schwerem Verlauf hierunter zu fassen ist:
„Behinderung im Sinne dieses Gesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht. Regelwidrig ist der Zustand, der von dem für das Lebensalter typischen abweicht.“ (§ 3 (1) SchwbG)
Bei schwerer, generalisierter Neurodermitis (über den ganzen Körper erstreckend) insbesondere auch bei Betroffenheit des Gesichtes, wird i. d. R. ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt. Bei der Bemessung wird auch die Häufigkeit von stationären oder ambulanten Versorgungen berücksichtigt.
Weitere atopische Erkrankungen wie z. B. allergisches Asthma oder Allergien werden gesondert betrachtet. Dadurch kann ggf. ein GdB von 50 erreicht werden. Ab diesem Wert spricht man von einer Schwerbehinderung, die mit erweiterten Nachteilsausgleichen verbunden ist.
Auch bei geringer ausgeprägten Verlaufsformen kann ein Antrag in Betracht gezogen werden. Seit einigen Jahren können bereits ab einem GdB von 10 steuerliche Begünstigungen geltend gemacht werden. Ebenfalls ist es bei einer Verschlimmerung der Symptome dann möglich, einen Antrag auf Verschlechterung zu stellen.
Die Feststellung einer Pflegebedürftigkeit erfolgt nach anderen Maßstäben, kann aber oft mit der Ermittlung eines Behinderungsgrades einhergehen.
Da Kinder von Natur aus pflegebedürftig sind, erfolgt die Ermittlung des Pflegegrades nach anderen Maßstäben als bei Erwachsenen. Ihre Fähigkeiten und Selbstständigkeit werden mit denen gleichaltriger Kinder verglichen. Folgende (und weitere) Umstände werden dabei berücksichtigt:
intensive therapeutische Maßnahmen (Verbandswechsel, Medikamente)intensive Begleitung zur Bewältigung der Erkrankung (z. B. bei Schlafstörungen)besonderer Betreuungsaufwand durch schwere Allergien und eine damit verbundene Anaphylaxie-GefahrHilfen und Nachteilsausgleiche bei Neurodermitis
Wird ein Behinderungsgrad anerkannt, stehen den Eltern steuerliche Freibeträge zu. Diese steigen mit dem Grad der Behinderung und betragen bei GdB 30 aktuell 620 EUR, bei GdB 50 sogar 1.140 EUR. Unter bestimmten Voraussetzungen kann zusätzlich ein Pauschbetrag für behinderungsbedingte Fahrten als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend gemacht werden. In vielen öffentlichen und staatlichen Einrichtungen werden zudem vergünstigte Eintrittsgelder oder Nutzungsentgelte bei Vorlage eines Behinderten-Ausweises gewährt.
Die Beantragung eines Behinderungsgrades sollte als Formsache gesehen werden und nicht als Stigma oder Nachteil für das spätere Berufsleben des Kindes. Ein Behinderungsgrad wird immer für 5 Jahre anerkannt und kann anschließend verlängert werden. Es ist jederzeit möglich, den Behindertenausweis zurückzugeben.
Wird zudem noch eine Pflegebedürftigkeit anerkannt, haben Eltern und Kind Anspruch auf Hilfen in Form von Pflegegeld, Pflegehilfsmitteln, Haushaltshilfen oder anderen Leistungen. Diese können von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen und sind individuell mit den Pflegekassen abzustimmen.
Ablauf der Beantragung eines Grads der Behinderung und einer Pflegebedürftigkeit bei Neurodermitis
Einen Grad der Behinderung wird beim Versorgungsamt des Wohnsitzes beantragt. Gleichzeitig muss der Arzt von seiner Schweigepflicht entbunden werden, damit er gegenüber dem Amt entsprechende Auskünfte zu Schwere und Verlauf der Erkrankung erteilen kann. Es ist hilfreich, dass Vorhaben im Vorfeld mit dem behandelnden Arzt abzustimmen.
Schwere der Neurodermitis (dauerhafter Bedarf an Medikamenten wie z. B. Kortison, wiederkehrende Komplikationen und Begleiterscheinungen wie Hautinfektionen oder Schlafstörungen)schwere Allergieneingeschränkte Teilhabe des Kindes am gesellschaftlichen Leben (Schwimmbadbesuche etc.)eingeschränkte Teilhabe des Kindes am schulischen Leben (Konzentrationsfähigkeit, Anforderungen an regelmäßige Versorgung der Haut etc.)
Hilfreich ist es, mittels Fotos, Klinikbefunden und Tagebüchern zu pflegerischem Mehraufwand den Verlauf der Erkrankung nachzuweisen.
Der Antrag auf Pflegebedürftigkeit ist unabhängig vom Grad der Behinderung und wird bei den Pflegekassen gestellt. Auch für diesen sind ärztliche Gutachten erforderlich. Nach der Antragstellung folgt im Regelfall eine Pflegebegutachtung zu Hause. Für dieses Gespräch ist eine gute Vorbereitung hilfreich. Auch eigene Mitschriften über die täglich vorgenommenen Pflegehandlungen (Waschen, Eincremen, Wundversorgung, Medikamentengabe) können die Argumentation stützen.
Eltern sollten sich nicht scheuen, die Möglichkeiten der verschiedenen Nachteilsausgleiche in Anspruch zu nehmen. Sie helfen dabei, die eigenen Kräfte zu schonen und sich zeitliche und finanzielle Freiräume zu schaffen.
So kann z. B. die vorübergehende Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe Zeit zum Durchatmen ermöglichen oder eine häusliche Kinderkrankenpflege dringend benötigte fachliche und emotionale Unterstützung bei Therapie und Pflege des Kindes leisten.