Wirtschaftsprüfer spielen in der globalen Finanzwelt eine entscheidende Rolle. Ihre Aufgabe, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften zu prüfen und die Integrität der Unternehmensfinanzen sicherzustellen, ist von zentraler Bedeutung für das Vertrauen in den Kapitalmarkt. Der Wirecard-Skandal hat jedoch gezeigt, dass das System der Wirtschaftsprüfer nicht immer reibungslos funktioniert. Der Fall offenbart strukturelle Probleme und Interessenkonflikte, die schwerwiegende Folgen für die Finanzwelt haben können.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften EY, PwC, KPMG und Deloitte dominieren den Markt. Diese sogenannten Big Four“ prüfen alle DAX-Unternehmen und beeinflussen mit ihrer Marktmacht die weltweiten Standards. Der Wirecard-Skandal zeigt jedoch, dass diese Marktdominanz erhebliche Risiken birgt. Kritiker bemängeln nicht nur die mangelnde Vielfalt im Markt, sondern auch die unzureichenden Sanktionsmöglichkeiten bei Fehlverhalten. Die mit der Prüfung der Wirecard-Bilanzen beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY hat in ihrer Kernaufgabe versagt. Bereits 2016 gab es interne Hinweise auf Ungereimtheiten, denen aber nicht konsequent nachgegangen wurde. Diese Fälle zeigen, wie die Konzentration auf wenige Akteure die Unabhängigkeit und Wirksamkeit der Abschlussprüfung schwächen kann.
Normalerweise streben Unternehmen einen einwandfreien Bestätigungsvermerk an, da dieser als Zeichen guter Unternehmensführung gilt. Im Fall von Wirecard führte die mangelhafte Prüfung jedoch dazu, dass die Bedenken erst 2020 zu einer Versagung des Testats führten. Laut Kühn hätten die Wirtschaftsprüfer spätestens 2019 einschreiten müssen, als die Financial Times erste Vorwürfe öffentlich machte. Stattdessen blieben große Schwachstellen wie die fehlenden 1,9 Milliarden Euro auf philippinischen Konten unentdeckt. Diese Verzögerung wirft die Frage auf, ob die Prüfverfahren nicht grundlegend reformiert werden müssen, um solche systemischen Schwächen zu beheben.
Der Wirecard-Skandal hat zu zahlreichen Reformvorschlägen geführt. Neben der Einrichtung unabhängiger staatlicher Prüfstellen wird überlegt, die Prüfung großer Unternehmen regelmäßig zwischen verschiedenen Anbietern rotieren zu lassen, um die Marktdominanz der Big Four zu reduzieren. Auch die Stärkung von Whistleblower-Systemen und die Einführung härterer Sanktionen bei Fehlverhalten von Prüfern werden diskutiert. Diese Vorschläge adressieren jedoch nur einen Teil der systemischen Probleme. Die Marktkonzentration bleibt eine zentrale Herausforderung, der nur durch eine stärkere Regulierung und Aufsicht begegnet werden kann.
Der Wirecard-Skandal hat gravierende Mängel im System der Abschlussprüfung offengelegt. Stefan Kühn fordert umfassende Reformen, um die Unabhängigkeit der Prüfungsgesellschaften zu stärken und das Vertrauen in die Finanzwelt wiederherzustellen. Ohne tiefgreifende Veränderungen drohen sich solche Skandale mit weitreichenden wirtschaftlichen Folgen zu wiederholen. Ein offener Diskurs über die Rolle und Verantwortung der Big Four sowie konkrete Maßnahmen zur Entflechtung von Interessenkonflikten sind unerlässlich, um das Vertrauen in die Finanzwelt langfristig zu sichern.